Matthias Lilienthal hört an den Münchner Kammerspielen auf: „Die Höhen und Tiefen waren extrem“

Matthias Lilienthal wollte als Intendant an den Münchner Kammerspielen vieles anders machen – und wurde dafür gelobt, aber auch scharf kritisiert. Jetzt geht er nach nur einer Amtszeit. Was bleibt? …

Sollen die Stadttheater sich vor allem der Aufführung literarischer Stoffe und der Pflege des Bildungskanons widmen – oder lieber offene, performative Darstellungsformen präsentieren? In diesem Kultur-Dauerstreit ist Matthias Lilienthal eine Reizfigur. Schon vor seinem Antritt als Chef der Münchner Kammerspiele hat er die Einfühlungsarbeit von Tschechow und anderen Klassikerregisseuren „Kunstkacke“ genannt. Er ruft dazu auf, „Theaterinhalte und Theaterästhetiken neu zu definieren“, die „Verkrustungen des deutschen Theatersystems aufzubrechen“ und die Größe fester Darstellerensembles zu überdenken. Von konservativen Kritikerinnen und Kritikern hat ihm das den Vorwurf eingebracht, seine Arbeit ziele darauf ab, das bewährte deutsche Stadttheatersystem abzuschaffen.

SPIEGEL: Herr Lilienthal, als Sie 2015 als Chef der Münchner Kammerspiele antraten, galten Sie als Erneuerer des Stadttheaters. Nun hören Sie nach nur einer Intendantenamtszeit auf. Warum haben Sie das Handtuch geworfen?

Lilienthal: Ich habe nicht das Handtuch geworfen. Die Stadt hat mir, als es um die Verlängerung ging, keinen neuen Vertrag angeboten. Daraufhin habe ich, wie man so sagt, meinen Hut genommen. Es hieß zwar, man könnte nochmal reden, doch das hätte keine Aussicht auf Erfolg. Ich wurde aber nicht rausgeschmissen. Die Stadt hat den Vertrag erfüllt, ich auch.

SPIEGEL: Ihre Weiterbeschäftigung scheiterte am Widerstand der im Münchner Stadtrat mitregierenden CSU. Empfinden Sie das nicht als Niederlage?

Lilienthal: Mir sind fünf schöne Jahre, in denen die Stadt und man selbst sich gut amüsiert haben, lieber als zehn Jahre, von denen einige womöglich ein bisschen dröge wären. Erfolg oder Scheitern lassen sich nicht durch die Länge einer Intendanz beschreiben. Ich finde, wir haben an unserem Theater das aufregendste Ensemble der Republik zusammengebracht. Unsere Arbeit ist mit internationalen Regisseurinnen und Regisseuren wie Yael Ronen, Florentina Holzinger, Toshiki Okada oder Rabih Mroué gut aufgegangen. Und ich finde, dass wir gezeigt haben, wie gut sich der Betrieb eines Produktionshauses für freie Gruppen

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