Wer gut zählen kann, wird Österreich nach diesem Wahlsonntag einen leichten Linksruck attestieren – oder wenigstens eine vorsichtige Abkehr vom ganz rechten Weg. Wer genauer hinschaut und auch den Wahlkampf verfolgt hat, kommt zu einem anderen Ergebnis. Zwar hat die Koalition aus konservativer ÖVP und rechter FPÖ vor zwei Jahren gemeinsam tatsächlich vier Prozentpunkte mehr geholt als bei diesem Mal. Und tatsächlich haben die Grünen, die vor zwei Jahren mit erbärmlichen 3,8 Prozent aus dem Parlament fielen, diesmal so grandios abgeschnitten wie nie zuvor. An der Stimmung und der Linie in der Wählerschaft aber hat sich nichts geändert.
Ex-Kanzler Sebastian Kurz repräsentiert und verwaltet einen breiten konservativen Konsens. Wie „wir“ sind, ist es gut. Keine Flüchtlinge, bescheidene (und vor allem weniger) Ausländer, stattdessen Nationalstolz und Identität. Zurück zur Schulpolitik vor 1968, und eine EU, die „uns“ nicht dreinredet. Mit Herausforderungen möge man uns verschonen. Die meistzitierte Zahl des Wahlkonflikts waren die angeblichen 0,2 Prozent, die das kleine, unschuldige Land zu den weltweiten Klimagasen beiträgt. Hauptsache der Benzinpreis bleibt niedrig. Um den Planeten sollen die Großen sich kümmern.
Abstand zwischen den Parteien soll gleich bleiben
Norbert Mappes-Niediek, Korrespondent in Wien
Dass Kurz trotzdem nur 37,5 und nicht 60 Prozent geholt hat, erklärt sich aus Österreichs politischer Mentalität. Bei aller Streitsucht im Kleinen vermeiden die Parteien sorgsam jede Uneinigkeit in Grundsatzfragen. Der Wähler will, dass der Abstand zwischen den Parteien gleich bleibt. Will das Volk nach rechts, so haben die Politiker aller Lager dem Ruf zu folgen. Dass die Grünen vor zwei Jahren so schwach blieben, verdanken sie ihrer Opposition gegen die rigorose Flüchtlingspolitik der
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